DE

Prävention braucht Aufarbeitung

Zu lange wurde geschwiegen und weg gesehen: Der BdP bittet Betroffene um Entschuldigung, die sexualisierte Gewalt im Verbandskontext erfahren haben.

Heute informiert das Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) über die Ergebnisse der unabhängigen Untersuchung von Fällen sexualisierter Gewalt zwischen 1976 und 2006 in unserem Verband. 

Wir sind erschüttert, an wie vielen Stellen es dem BdP in der Vergangenheit nicht gelungen ist, seine Mitglieder vor sexualisierter Gewalt und (Macht-) Missbrauch zu schützen. Es wurde geschwiegen, weggesehen und Täter*innen geschützt. Betroffenen wurde nicht geglaubt und sie und diejenigen, die sich mit ihnen solidarisierten, isoliert und ignoriert. Der Abschlussbericht des IPP zeigt uns etwas klar auf: Oft haben genau die Dinge, die uns von anderen Jugendverbänden abheben bzw. die wir für das halten, was den BdP oder das Pfadfinden ausmachen, Bedingungen geschaffen, die sexualisierte Gewalt möglich gemacht oder ihre Aufdeckung verhindert haben. Das ist schmerzhaft.

Die gewonnenen Daten und Empfehlungen des IPP helfen uns nun, unsere Präventionsbemühungen weiter zu stärken. Wir möchten aus den Fehlern der Vergangenheit für ein sicheres Pfadfinden in der Zukunft lernen. Das bedeutet auch, unsere Strukturen, Kernelemente unserer (Pfadfinder*innen-)Pädagogik und unser Selbstverständnis auf allen Ebenen in Frage zu stellen und diese zum Wohl der Kinder und Jugendlichen zu überprüfen. Wir arbeiten bereits seit einigen Monaten daran, unser bestehendes Schutzkonzept zu reflektieren, auszuweiten und zu verbessern. Wir werden uns kritisch und auf allen Ebenen mit dem Thema "Macht", unseren demokratischen Prozessen sowie Anforderungen und Ausbildungen von Gruppenleitungen, Stammesführungen und Vorständen auseinandersetzen.

Der BdP wird gemeinsam alle uns möglichen Anstrengungen unternehmen, damit Pfadfinden im BdP noch sicherer für alle uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen und alle unsere Mitglieder im Allgemeinen wird.

Unser großer Dank gilt den betroffenen Menschen und Zeitzeug*innen, die die Kraft und den Mut hatten, mit dem Erzählen ihrer Geschichte zur Aufarbeitung beizutragen. Trotz des großen Leids, das ihnen im BdP widerfahren ist. Bei diesen Menschen und auch bei all denen, die nicht die Kraft hatten, sich zu melden und die uns unbekannt sind, möchten wir aus ganzem Herzen um Entschuldigung bitten.

Zur Studie und ihrer Entstehung

Der BdP hat seinen Aufarbeitungsprozess im Zuge der Bundesversammlung 2016 gestartet. 2021 hat er als erster großer Jugendverband eine systematische, wissenschaftliche Aufarbeitung in Auftrag gegeben und gemeinsam mit dem IPP öffentlich zur Mitarbeit an der Studie aufgerufen. Ziel des Aufarbeitungsprozesses ist es, die Kultur des Schweigens mit Blick auf sexualisierte Gewalt in der Vergangenheit zu brechen und eine kritische Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt im eigenen Verband zu befördern.

Für die Studie wurden mehr als fünfzig Betroffene, Zeitzeug*innen und Schlüsselpersonen interviewt. Im Abschlussbericht der Studie des IPP wird der BdP mit seinen Eigenheiten untersucht, es finden sich Analysen zu Risikofaktoren und eine systemische Analyse der Versäumnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt und Betroffenen. Darüber hinaus wurde eine Reihe von Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Nachgelesen werden kann dieser Bericht hier.

Finanziert wurde die wissenschaftliche Aufarbeitung als ein Kernelement des Aufarbeitungsprozesses aus eigenen Mitteln, vor allem durch Spenden, z.B. der Stiftung Pfadfinden, und Mitgliedsbeiträge. Im Fokus des Projekts standen Fälle in den Jahren zwischen der Gründung des Verbands 1976 und der Implementierung von verbandlichen Präventions- und Interventionsstrukturen 2006.

Die Pressekonferenz zur Vorstellung des Abschlussberichts durch das IPP kann noch dem YouTube-Kanal des Presseclub München e.V. angeschaut werden.
Nähere Informationen zur Prävention sexualisierter Gewalt im Verband heute gibt es hier